Wie alles begann (2/3): Die erste Besichtigung

Louise Gassenmeyer

Louise Gassenmeyer

Die ehemalige Förderschule in der Lausitz ließ uns keine Ruhe und so wurde schließlich aus einer Spinnerei ein echtes Vorhaben.

Nach und nach entwickelten sich Ideen für das Haus, wurden konkreter und füllten das große Gebäude in der Oberlausitz mehr und mehr aus. Über Monate hinweg überprüften wir regelmäßig die Immoscout-Anzeige. Diesem Prozess war jedes Mal ein kurzes, exakt vorgegebenes Gespräch vorgelagert:

Wenn das Haus jetzt weg ist, dann ist das ja vielleicht auch besser so, es ist wirklich sehr sehr groß und wäre ein Haufen Arbeit. Wenn es weg ist, dann soll es eben nicht sein. Ja genau, das wäre deutlich einfacher. Genau… Oh Mann, es wäre wirklich scheiße, wenn es weg ist, das Haus ist so perfekt und die ganze Idee ist verdammt gut. Hoffentlich ist es noch da…

Ein perfekt inszeniertes Drama von Vernunft und Euphorie auf der Bühne unseres Hirntheaters.

Das ging so lange, bis wir uns entschieden, das Haus zu besichtigen. Erst einmal nur von außen auf einem Tagesausflug in die Lausitz, dann schließlich auch auf einer offiziellen Besichtigung mit allem drum und dran. Die Immobilie war schon lange vom Land Brandenburg ausgeschrieben, doch in den letzten zehn Jahren war nie ein erfolgreicher Kauf zustande gekommen. Mal passte das Konzept nicht, mal zog der Käufer in letzter Sekunde sein Angebot zurück. Und so stand die alte Förderschule leer, wurde jedoch rührend vom ehemaligen Schulhausmeister gepflegt. Das Gefühl nun tatsächlich durch die Räume zu gehen, die unsere Pläne und Vorstellungen beherbergen könnten, war total berauschend. Anstatt vor der Realität dieser riesigen Immobilie zurückzuschrecken und sich kleinlaut vom Acker zu machen, hüpften die Ideen nur so durch die Zimmer und Hallen, spielten auf der Sauer-Orgel in der ehemaligen Schulaula ein Ständchen, richteten sich häuslich ein und begannen sich zu allem Überfluss auch noch zu vermehren.

Johannes und ich saßen auf der Fahrt zurück nach Berlin wie erschlagen in der Regionalbahn und mussten das Ganze erstmal verarbeiten. Schliefen ein paar Nächte darüber, warteten auf vernünftige Zweifel, die sich noch melden könnten. Aber am Ende war klar: Wir wollen das wirklich.

So wurde aus einer Spinnerei ein echtes Vorhaben. Wir fingen an, unsere Pläne zu verschriftlichen und mit Freund*innen zu teilen. Dabei stießen wir auf, nun ja, gemischtes Feedback. Von blankem Entsetzen („Ihr wollt freiwillig nach Brandenburg ziehen?!“) über wohlwollende Beschwichtigungen („Jaja, in dem Alter hatte ich auch noch Träume und Ideale.“) bis hin zu echtem Interesse war alles dabei. In einem Punkt waren sich aber alle einig:

Wenn ihr das durchziehen wollt, wird das eine ganze Menge Arbeit.

Immer wieder erklärten wir unsere Ideen („Nein, keine Kommune! Abgeschlossene autarke Wohneinheiten, gemeinsame Aufenthalts-und Nutzungsräume, Gemeinschaftsgarten und Werkstätten, Raum zum Arbeiten, kulturelle Veranstaltung für Bewohner*innen und Dörfler*innen“) und bemerkten, dass wir mit diesen Bedürfnissen nicht alleine waren. Es schien so, als wären wir da an was dran, das die Bedürfnisse vieler unterschiedlicher Menschen ansprach. Doch das Ausmaß der vielfältigen Ressourcen, um den Aufbau eines solch umfangreichen und großen Projektes zu ermöglichen, schreckte die meisten unserer Freund*innen ab. Mitstreiter*innen kamen und gingen, enthusiastische Dropbox-Ordner wurden eröffnet und mit Artikeln zu Projektentwicklungen im ländlichen Raum gefüllt, nur um ein paar Monate später wieder ernüchtert aufgelöst zu werden.

Wir steckten fest.